Sencken­berg Zentrum für Humangenetik entdeckt neuen Gendefekt

11.09.2019Sencken­berg Zentrum | Forschung

Das Sencken­berg Zentrum für Humangenetik hat eine bisher unbekannte Genmutation am Menschen entdeckt. Der genetische Defekt wurde bei einem an der Augenklinik der Universitäts­klinik Gießen behandelten Geschwisterpaar nachgewiesen. Beide Insti­tutionen arbeiten bei der Betreuung von Patienten mit Augen­erkrankungen wissenschaftlich regelmäßig eng zusammen.

Bei den 4- und 11-jährigen Brüdern wurde eine schwere Degeneration der Netzhaut beobachtet, die mit einer starken Sehbe­ein­träch­ti­gung einherging. In einer ersten Analyse untersuchte das Sencken­berg Zentrum für Humangenetik Gene der Patienten, von denen bereits bekannt ist, dass sie die Funktionen der Netzhaut beeinflussen. Allerdings wurden in diesen keine Mutationen festgestellt. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Peter Nürnberg, Leiter des Cologne Center for Genomics (CCG), wurde durch weitere, umfassendere Unter­suchungen, bei denen unter anderem alle menschlichen Gene bei einem der beiden Patienten analysiert wurden, schließlich ein Defekt des Gens SLC6A6 als Ursache der schweren Augenerkrankung entdeckt.

Der bisher unbekannte Gendefekt führt zu einer verringerten Aufnahme der Aminosäure Taurin in die Zellen des menschlichen Körpers. Insbesondere in der Netzhaut des Auges ist die Konzentration von Taurin normalerweise sehr hoch. „Wir wissen aus früheren Studien, dass es einen Zusammenhang zwischen niedrigen Taurinwerten und Netzhautschäden gibt. Allerdings kannte man bisher keine genetisch bedingte menschliche Erkrankung, die zu Taurinmangel führt“, erläutert Professor Dr. med. Hanno J. Bolz, Leiter des Sencken­berg Zentrums für Humangenetik.

Taurin ist allgemein vor allem als Inhaltsstoff von Energy Drinks bekannt. Die Aminosäure wird aber auch vom menschlichen Körper selbst hergestellt. Diese Selbstversorgung wird durch den Gendefekt gehemmt, wie Unter­suchungen des Hepatologen Prof. Dr. Dieter Häussinger von der Klinik für Gastro­en­te­ro­logie, Hepatologie und Infektiologie am Universitäts­klinikum Düsseldorf zeigen konnten. Taurin spielt unter anderem eine wichtige Rolle für die Regulation des Zellvolumens, die Immunität, verschiedene Stoffwechselprozesse und für die Funktion zahlreicher Organsysteme. „Andere Symptome als die Netzhauterkrankung bestehen bei den Patienten aktuell nicht. Trotzdem ist der identifizierte Gendefekt eine wichtige Information, um die Patienten künftig medizinisch zielgenauer zu betreuen. Sie sollten nicht nur augenärztlich, sondern auch internistisch regelmäßig beurteilt werden“, bilanziert Prof. Dr. med. Birgit Lorenz, Direktorin der Klinik für Augen­heil­kunde der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Die detaillierten Ergebnisse der Forschungsarbeit werden in der Oktoberausgabe des FASEB Journals der Federation of American Societies For Experimental Biology erscheinen und sind vorab bereits online publiziert worden. https://www.fasebj.org/doi/10.1096/fj.201900914RR

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